Lassen Sie uns sprechen.

In der Anamnese wird der Grundstein für die Patientenbeziehung gelegt und die Spur zur Diagnose bereitet. Lesen Sie hier 10 Impulse für Fragen, die weiterführen.

10 Dinge, die in einer Anamnese nicht fehlen sollten

Wir Heilpraktiker*innen und Therapeut*innen haben einen großen Vorteil: unser eigenes Zeitmanagement. Wir nehmen uns für unsere Patient*innen Zeit. Ich kenne aus dem Kollegenkreis niemanden, die nicht für eine Erstberatung mindestens eine Stunde – und oftmals auch noch mehr – einplant.

Aus gutem Grund: Ein ausführliches Gespräch, das ist bekannt, führt in 70% zur Diagnose. Ein Gespräch legt die Spur und zuweilen kommt man an einem unvermuteten Ende heraus. Vor allem eröffnet es die Perspektive zu einer wirklich ganzheitlichen Arbeit. Diagnostik, im Sinne von Blut-, Stuhl-, Urintestung können dann die Diagnose klären.

Menschen brauchen Zeit, um im Gespräch Kontakt aufzubauen. Hier geht es um Vertrauen. Bis sich jemand öffnet, wird er oder sie vorher zumindest unbewusst abwägen, ob dies in dieser Situation mit dieser Therapeutin oder Therapeuten wirklich angemessen ist.

Manchmal ist mir schon passiert, dass das Wichtigste zu dem Zeitpunkt stattfand, als meine Patientin schon fast zur Tür wieder rausging: „Übrigens:….“

Oder gar noch später. Gestern rief mich eine Patientin wegen einer eher banalen Frage an. Sie war in der vorigen Woche zum ersten Mal bei mir gewesen, es ging um keinen wirklich schlimmen Sachverhalt. Doch gestern, in diesem Telefonat, in einem Nebensatz, kam der Hammer: „Ich habe schon überlegt, mir die Gebärmutter entfernen zu lassen“.

Paff. Da war es. Kurz und scheinbar lapidar hingesagt eröffnete sich mir das Hinterland der Thematik. Ihre Angst, die Verstörung und die Hilflosigkeit.

Solche Aussagen übergehe ich nie. Wesentliches kommt oft als schnoddrige Bemerkung maskiert daher, als scheinbar lockerer Satz oder Scherz.

Wenn das Hinterland sichtbar wird, dann liegt hier oft ein Schlüssel für eine integrative Arbeit: bringt ein Mensch genügend Resilienz, Heilkraft auf um wieder ganz gesund zu werden?

Worüber sprechen wir (noch)?

Manchmal ist es hilfreich, einen Fragebogen zu entwickeln und diesen von der Patientin oder dem Patienten vorher ausfüllen zu lassen.

Ich habe mich aber stets dagegen entschieden. Denn mit jeder Frage, die ich persönlich einem Gegenüber stelle, erhalte ich andere Informationen als von einem Blatt Papier. Das Ausfüllen eines Fragebogens macht meines Erachtens Menschen zu einem Antragssteller. Ich suche aber vertrauensvollen Kontakt auf Augenhöhe und lasse mir keine Gelegenheit entgehen, ihn herzustellen.

Die Befunde, Vordiagnostik, Arztbriefe lasse ich mir erst nach der ersten Gesprächssequenz aushändigen. Zu Beginn will ich mein Gegenüber ohne das sprichwörtliche „Brett vorm Kopf“ wahrnehmen.

Hier ein paar Anregungen für die Fragen in der Anamnese, die vielleicht über das Gewohnte hinausgehen:

  • Welches ist Ihr Behandlungswunsch? Ihr Ziel? Was soll herauskommen nach unserer gemeinsamen Arbeit?

Diese Frage steht zu Beginn. Natürlich ist „Behandlungswunsch“ nicht beliebig gemeint. Ich will aber genau wissen: Wie will sich meine Patientin später wieder fühlen? Welche Lebensqualität soll wieder Einzug im Leben halten? Wie definiert sie selbst Ihre Gesundheit? Was ist ihr wichtig? – Wenn Sie diese Dinge geklärt haben, dann können Sie im Verlauf immer wieder nachfragen und Ihre Patientin bemerkt den Fortschritt. Das wiederum macht Mut.

  • Beschreiben Sie mir Ihre Beschwerden bitte genau

Hier geht es darum, sich nicht mit Allgemeinplätzen abspeisen zu lassen. „Mir tut der Rücken immer furchtbar weh“ ist nicht die Aussage, die Sie vielleicht weiterführen wird. Die Nachfrage kann sein:

Wann besonders? Wo genau? Wohin strahlt der Schmerz aus? Bei welcher Bewegung? Wann ist der Schmerz stärker? Gibt es Spitzen? Gibt es Zeiten / Momente / kurze Phasen der Schmerzfreiheit? Wie ist die Qualität des Schmerzes?

  • Was war in den Wochen/Monaten bevor die Beschwerden auftraten?

Hier geht es in der Regel um eine Art sozialer Anamnese. Welche Art von Belastung war besonders ausgeprägt? Gab es Ärger am Arbeitsplatz? Mobbing? Gab es Krankheit/Todesfall in der Familie oder im Freundeskreis? Ein verstorbenes oder krankes Haustier? Umzug? Mit was war die Person innerlich beschäftigt? Älterwerden? Ist jemand in der Partnerschaft glücklich?

Tiefer graben, so gut es geht, ist die Devise. Soweit es das Gesprächsklima eben hergibt. Viele verneinen zunächst eine Belastung, sie tun so als würden sie es gut wegstecken. Sanfte Beharrlichkeit lohnt sich, und wenn sie dann merken: „Ja, Herr M. kann das über-kontrollierende Verhalten seines Chefs gelassen annehmen“ – dann ist ja alles gut. Dann wissen Sie das.

  • Was, und vor allem auch, wie essen Sie?

Die meisten Menschen antworten hier: ganz normal. Na ja. Normal ist alles und nichts. Ich lasse mir vom Frühstück bis zum Abendessen erzählen, wie der Speiseplan aussieht. Und natürlich will ich auch wissen, ob jemand langsam isst oder schlingt, ob zu Tisch eine gute Atmosphäre oder Streit vorherrschen.

  • Wie ist Ihre Verdauung?

Auch hier ist Genauigkeit deutlich ein Vorteil, auch wenn’s sich zunächst peinlich anfühlt. Für manche Menschen ist es normal, dass sie Durchfall haben und für andere, dass sie nur alle fünf Tage Stuhlgang haben. Farbe, Form, Beschaffenheit der Ausscheidungen können immense Aussagekraft haben. Nicht nur dann, wenn es um die Darmgesundheit geht.

  • Wie schlafen Sie?

„Gut“. Reicht nicht. Schläft ein Mensch leicht ein? Braucht er oder sie Einschlafhilfen? Wann in der Nacht wird er wach? Warum?

Bedenken Sie hier auch die Organuhr aus der traditionell chinesischen Medizin:

https://www.carstens-stiftung.de/artikel/die-chinesische-organuhr.html

Diese Uhr kann übrigens auch über die Tageszeiten hilfreich sein. Wenn die Beschwerden zum Beispiel vor allem nachmittags um 17Uhr zunehmen, würde ich bedenken, Niere/Blase mit einzubeziehen in den therapeutischen Ansatz. Wenn die Aufwachzeit „immer“ nachts um zwei Uhr ist, dann gegebenenfalls auch die Leber stärken.

  • Wo schlafen Sie?

Zu einer befahrenen Straße? Ist es in Ihrem Schlafzimmer wirklich nachts dunkel? Liegen Handy oder Tablet am Bett? Gibt es eine Geräuschkulisse mit der Sie einschlafen? Sind Pflanzen im Zimmer? Ein Fernseher? Passt die Matratze?

  • Hatten Sie in der letzten Zeit einen Zeckenbiss?

Auch, wenn eine chronische Borreliose selten ist, sollte sie niemals unbedacht sein.

  • Wie sieht es mit Ihrer Zahngesundheit aus?

Zahnfüllungen, Wurzelbehandlungen und daraus entstehende Herde, Pradontitis und Paradontose können Hinweis geben. Auch, wenn die ganzheitliche Zahnmedizin noch eher verpönt ist, kann es sein, dass es der Heilung deutlich zuträgt, wenn die Zähne mit einbezogen werden. Auf jeden Fall sollte das Mundmikrobiom von Ihnen bedacht werden. Hier gibt es inzwischen einfache, doch sehr wirksame Möglichkeiten, mit probiotischen Lutschtabletten regulierend zu wirken.

(https://nupureshop.com/collections/biotics/products/nupure-probadent)

Hier: http://www.gzm.org/

Ist der Link zum Verband ganzheitlicher Zahnmediziner.

  • Wie ist Ihr direktes Umfeld?

Wie wohnen Sie? Gibt es in der Wohnung Schimmel? Wie sind die Böden (Teppichböden / Wollteppiche / behandeltes Holz) beschaffen? Wo verläuft der Strom? Haben Sie einen Raum ganz für sich?

Gewiss ist es zumindest mit einiger Erfahrung nicht nötig, Fragen schematisch abzuarbeiten. Doch die hier genannten habe ich ausser der Krankengeschichte und der familiären Anamnese immer im Blick.

Das Beste kommt zum Schluss:

  • Wie ist Ihre Haltung im Gespräch? Wie sprechen Sie?

Hier liegt vielleicht der zentralste Punkt.

Menschen wollen da abgeholt werden, wo sie stehen. Sie wollen, dass wir so mit ihnen sprechen, dass sie uns verstehen und sich auch angenommen fühlen. Empathie versus Belehrung könnte hier ein Schlüssel sein. Aber auch ein gerüttelt Maß an Nüchternheit gehört dazu, ein Mit-Leiden ist deutlich zu weit gegangen.

Für unsere Patient*innen sind wir oft genug der Fels in der Brandung. Dem in einem gewissen Maß gerecht zu werden ist oft nicht leicht. Unsere Herausforderung liegt darin, sowohl eine professionelle Distanz zu wahren als auch mit dem Herzen dabei zu sein.

Ich habe schon Kolleginnen und Kollegen im Patientengespräch fortgebildet. Manchmal war ich erschüttert darüber, dass der erhobene Zeigefinger oder ein pseudo-ärztliches Gehabe zum Gesprächsstil gehörte. Doch die Patienten kommen doch gerade wegen anderer Qualitäten! Sie wollen wahrgenommen, als Gegenüber angesprochen und in ihren Befindlichkeiten ernstgenommen werden.

Es lohnt sich für alle Therapeut*innen, hier ein Augenmerk drauf zu legen. Vieles kann hier vom Ansatz: Gewaltfreie Kommunikation, nach Marschall Rosenberg, gelernt werden.

Als Einstieg empfehle ich ein kleines Büchlein. Es heisst: „Wenn die Giraffe mit dem Wolf tanzt“ von Serena Rust. Darin finden Sie wirklich gute Impulse. Und gegebenenfalls lohnt sich sogar ein Kurzworkshop.

Denn in der Gesprächsführung liegt eine der Chancen für beruflichen Erfolg, die wir als Heilpraktiker*innen wirklich nutzen können. Wir setzen die Zeit ein, also nutzen wir sie auch!

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